Jakobsweg

19. Tag

Santillana del Mar – Comillas 22 Km (6 Stunden)

Bedingt durch meinen Ruhetag in der Pilgerherberge kam es für mich im Laufe des gestrigen Tages zu einem kompletten Wechsel der Pilger und erstmals begegnete mir dabei eine deutsche Pilgerin, die ich von Anfang an sehr unsympathisch fand. Dies schien auf Anhieb auf Gegenseitigkeit zu beruhen und ohne, daß wir unhöflich zueinander gewesen wären, war klar, dass hier keine neue Freundschaft entstehen würde.

Unter all den Neuankömmlingen in der Herberge ging ich irgendwann am Abend auf die Finnin Emma zu und fragte, ob sie nicht lust hätte einen Kaffee mit mir an der Bar trinken zu gehen. Sie willigte ein und so kam es, dass wir für ca. eine halbe Stunde an der Theke saßen und gemeinsam Kaffee tranken. Emma war nett, wollte aber nach etwas Smalltalk auf ihr Zimmer und zu Bett gehen. Ohne groß etwas von ihr erfahren zu haben trennten sich unsere Wege demnach relativ schnell wieder.

Bei strahlend blauem Himmel machte ich mich heute Morgen gegen ca. 7:45 Uhr auf den Weg zur heutigen Etappe. Wieder lief ich alleine und schon früh gab es auch ein Thema in meinem Kopf. Warum mochte mich die Deutsche nicht und noch mehr fragte ich mich warum mir dies eigentlich wichtig war? Da war also wieder eins meiner Themen! Warum will ich von Allen gemocht werden und warum macht es mir zu schaffen, wenn mich Jemand nicht mag? Umgekehrt ging es mir bei der besagten Pilgerin ja genauso und eigentlich hatte ich keinerlei Interesse an ihrer Person. Dennoch scheine ich im Außen ja nach Bestätigung zu suchen.

Ich war froh heute relativ schmerzfrei durch gekommen zu sein und beschloss bei Kilometer 22 in dem schönen Küstenort Comillas in der Pilgerherberge absteigen zu wollen. Dort angekommen versuchte man mir auf spanisch zu erklären, dass die Herberge bereits voll sei, dass man aber dennoch ein Zimmer für mich hätte. Ich verstand ansonsten nichts, folgte aber dennoch brav irgendeinem Spanier quer durch den Ort, bis wir schließlich an einem Chalet ankamen und er mich darin in ein Doppelzimmer führte. Auf dem zweiten Bett stand bereits eine Tasche und im Bad nebenan lief die Dusche. Ein seltsames Gefühl zu wissen, dass man mit einer wildfremden Person in der kommenden Nacht ein Doppelzimmer teilen wird. Wer war die Person? Frau oder Mann? Jung oder alt? Sympathisch oder vielleicht sogar die unsympathische Deutsche? Ich fühlte mich nicht wohl und als der Spanier kurzerhand das Zimmer verlassen hatte (wahrscheinlich deshalb so schnell, dass ich es mir nicht noch anders überlegen konnte) klopfte ich zögerlich an die Badtür und teilte auf englisch mit, dass mit mir nun noch eine weitere Person ins Zimmer eingezogen war. Eine Frauenstimme antwortete und bedankte sich für die Info. Im nächsten Moment öffnete sich die Badtür und ratet mal wer aus der Tür trat? Es war die nette Finnin Emma vom Vorabend. Wieder so eine verrückte Camino Story und wenn ich Euch jetzt noch verrate, dass sie sich tagsüber auf ihrem Weg Gedanken gemacht hat warum es ihr wichtig ist von anderen gemocht zu werden, könnt Ihr mir das auch gerne glauben. Emma und ich waren jedenfalls sehr erleichtert, als wir uns gegenseitig sahen und schon lange habe ich nicht mehr so herzhaft gelacht wie in den letzten Stunden mit ihr. Sie ist so eine humorvolle Frau und wir haben extrem viel Spaß zusammen. Wir haben anscheinend die Love Suite bekommen denn auf unserem Nachttisch steht ein rot beleuchteter Pilz und unsere Betten sind mit einer Decke im Leoprint bezogen. Wenn man das Zimmer nicht live gesehen hat kann man sich nicht vorstellen wie hässlich und gleichzeitig liebevoll unsere deutsch/finnische WG eingerichtet ist.

Fazit: Es braucht keine Liebe und Anerkennung von außen, wenn man sich selbst genügend liebt und anerkennt.

Memo an mich: behalte Dir diese ausgelassene Stimmung in der Love Suite mit Emma in guter Erinnerung. Es war schön mal wieder so locker und leicht zu sein.

Ein Kommentar

  • Wendy Köhler

    Lieber Andreas Heute Morgen habe ich herzlich lachen müssen, dein Bericht sind immer so schön.Ich bin froh
    das es dir besser geht Ich bin sehr stolz auf dich Grüsse von Mama

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert