Jakobsweg

34. Tag

Ribadeo – Lourenza 30 Km (8,5 Stunden)

Was für eine wundervolle Überraschung am Morgen! Ich wurde um 7:00 Uhr wach und stellte schnell fest, dass über Nacht die Schwellung im linken Bein fast komplett zurück gegangen war und ich meinen Fuss annähernd schmerzfrei bewegen konnte. Ich war unheimlich glücklich und dankbar dafür und anschließend so motiviert, dass ich mich auch heute wieder um 8:00 Uhr mit Angele aus Kanada auf den Weg machte. Wir beide harmonieren weiterhin sehr gut miteinander und es fühlt sich einfach sehr stimmig und vertraut an, wenn wir gemeinsam laufen. Ich bin sehr zufrieden, dass ich in den letzten zwei Tagen wieder 55 Kilometer zurück legen konnte und ich habe wieder die Zuversicht, dass ich es tatsächlich bis Santiago schaffen kann. Dieses Ziel vor Augen ließ mich heute auch eine Entscheidung treffen. Ich habe meinen Rückflug von Samstag, 25. Mai auf Montag, 27. Mai umgebucht wodurch mir nun zwei weitere Tage zur Erreichung meines Ziels zur Verfügung stehen. Ich bin so dankbar, dass ich heute lange Zeit schmerzfrei laufen durfte, auch wenn heute Abend das linke Bein wieder deutlich angeschwollen ist. Vielleicht soll ich ja tatsächlich in Santiago ankommen – ich wäre jedenfalls bereit dafür.

Vor zwei Tagen begegnete ich einer jungen Deutschen und schnell war sie mir sympathisch und ich unterhielt mich längere Zeit mit ihr. Die junge Frau läuft hier täglich um die 40 Kilometer, weil sie nur ein sehr enggesetztes Zeitfenster zur Verfügung hat und sie innerhalb dieser kurzen Zeit den gesamten Jakobsweg laufen möchte. Sie schreibt abends Pläne und errechnet dabei die exakte Kilometerzahl, die sie an den verbleibenden Tagen jeweils noch zu laufen hat. Pausen oder schöne Aussichten sind da weniger vorgesehen und so wirkt ihr Vorhaben nach außen hin, wie ein großer sportlicher Wettkampf. Ich konnte jede ihrer Aussagen verstehen und nachvollziehen, schließlich war ich in jungen Jahren genau der gleiche Typ wie sie. Es ist weder wertend, noch vorwurfsvoll gemeint, wenn ich aus meiner heutigen Sicht sage, dass sie sehr verbissen ist und mit ihrem Ehrgeiz weit übers Ziel hinaus schießt. Dieses Tempo wird sie nicht endlos gehen können und ich wünsche ihr, dass sie nicht irgendwann einmal eine Erfahrung machen muss, die sie zum Umdenken zwingen wird. Das Erreichen ihres Ziels wird ihr zunächst einmal Recht geben und sie auch in ihrer Vorgehensweise weiter bestätigen. Für mich war diese Begegnung mit der jungen Deutschen sehr wertvoll denn durch sie konnte ich sehen welche Veränderungen in den letzten Jahren bei mir selbst statt gefunden haben und wie viel ich bereits an und mit mir gearbeitet habe. Liebe L., falls Du diesen Beitrag liest dann wünsche ich Dir nur das Beste für Deinen Weg und damit meine ich nicht ausschließlich den Weg nach Santiago. Dort wirst Du ganz sicher ankommen, da habe ich keinerlei Zweifel.

Fazit des Tages: ich bin überglücklich und voller Dankbarkeit, dass ich aktuell meinen Weg fortsetzen darf und ich bin bereit für die nächsten Schritte.

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