Weisheiten

Sorge für Dich, als wärst Du die Liebe Deines Lebens

Wir Menschen sind ständig auf der Suche nach Anerkennung und Liebe, wir wollen geliebt werden und fühlen uns schnell einsam. Ständig sind wir im Außen auf der Suche und brauchen immer wieder neue Bestätigung. Wir wollen, dass der Chef uns und unsere Arbeit anerkennt, wir wollen bei den Kollegen beliebt sein, wir wollen von den Freunden gemocht und vom Partner bedingungslos geliebt werden. All das suchen wir ständig im Außen und bei anderen Menschen, obwohl wir es im Grunde alle in uns tragen. Warum fällt es uns dann so schwer, uns selbst anzuerkennen und zu lieben? Warum können wir unsere Fehler und schlechten Angewohnheiten nicht besser akzeptieren und ein wenig milder mit uns selbst umgehen? Warum haben wir Angst, egoistisch genannt zu werden, wenn wir uns um uns selbst kümmern?

Wenn wir uns selbst nicht lieben und anerkennen, warum sollte es dann jemand anderes tun? Warum können wir uns oft nicht annähernd so lieben, wie wir die Liebe unseres Lebens lieben können?

Ich selbst durfte in jungen Jahren erfahren, was passiert, wenn man zu hart mit sich selbst ins Gericht geht, und trotz dieser Erfahrung, für die ich heute sehr dankbar bin, laufe ich immer wieder Gefahr, in alte Muster zurückzufallen. Mit 26 Jahren schlug es bei mir ein wie eine Bombe, von einem Tag auf den anderen war zunächst nichts mehr wie vorher. Am Abend zuvor war ich noch beim Fußballtraining und am nächsten Tag konnte ich nicht mehr laufen und meine Beine haben unwillkürlich ausgeschlagen, so dass ich direkt in die Notaufnahme kam und unter Narkose ins MRT.

Als ich wieder aufwachte, lag ich verkabelt in irgendeinem Aufwachraum und auf die Frage, was mit mir los sei, bekam ich nur ausweichende Antworten. Schnell wurde mir klar, dass es ernst war. Das erste Gespräch mit dem Oberarzt verlief ergebnislos, er sagte etwas von Hirntumor und alles sei noch unklar und dass meine Bilder an Spezialisten nach Heidelberg in die Kopfklinik weitergeleitet würden und man noch nichts Genaueres sagen könne. Als ich ein Teenager war, kam meine Mutter mit einem Hirntumor nach Mainz in die Uniklinik und jetzt hatte es mich also auch erwischt?

Ich hatte große Angst, ich wurde mit dem Tod konfrontiert und ich war noch so jung und hatte noch nicht einmal richtig gelebt. Es vergingen einige Tage und es wurden immer wieder neue Untersuchungen gemacht und es blieb alles sehr vage und unsicher und nachdem mir Rückenmark entnommen wurde, kam eine neue Verdachtsdiagnose hinzu. Neben dem Hirntumor kam nun auch Multiple Sklerose ins Spiel. Viele Untersuchungen später und drei Wochen nach der Einlieferung wurde ich tatsächlich mit der Diagnose MS entlassen und der ursprüngliche Hirntumor stellte sich als Zyste im Kopf heraus.

Ich, der ehrgeizige Sportler, musste mich mit dem Gedanken anfreunden, eines Tages nicht mehr laufen zu können und im schlimmsten Fall im Rollstuhl zu landen. Für mich brach eine Welt zusammen und gleichzeitig bewirkte dieser Einschnitt etwas in mir und aus dem ehemals eher oberflächlichen Typen wurde nach und nach ein eher nachdenklicher und reflektierter Mensch. Irgendwann habe ich mich mit der Krankheit MS auseinandergesetzt, habe das Krankheitsbild durchleuchtet und bin bei der Tatsache hängen geblieben, dass Multiple Sklerose eine Autoimmunerkrankung ist. Was bedeutet das konkret? Autoimmun bedeutet, dass der Körper sich selbst bekämpft und körpereigene Zellen mit körperfremden Zellen verwechselt und deshalb körpereigene Zellen angreift und bekämpft. Es kommt zu Entzündungen entlang des Rückenmarks mit zum Teil schweren Ausfällen.

Warum greift ein Körper sich selbst an und welche Erkenntnis kann man daraus ziehen?

Ja, ich war zu hart zu mir selbst und nach und nach habe ich die Krankheit als Chance gesehen und die Botschaft verstanden. Es ging darum, mich zu akzeptieren und mich lieben zu lernen. Das gelingt mir zwar immer noch viel zu selten, aber mittlerweile erkenne ich meine Muster und merke zumindest, wenn ich wieder dabei bin, mich selbst zu „bekämpfen“. Wie war der Verlauf der MS? Da ich die MS irgendwann als Zeichen und Chance verstanden habe, konnte ich die Multiple Sklerose willkommen heißen und eine große Dankbarkeit ihr gegenüber entwickeln. Das hat meiner Meinung nach dazu geführt, dass sie nicht mehr die Aufgabe hatte, mir die Augen zu öffnen und in der Folge sehr unauffällig und meist im Hintergrund verlief. Vor vielen Jahren habe ich mich dann von der Schulmedizin weitestgehend verabschiedet und trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, geht es mir heute mit der MS sehr gut.

Ich war jetzt zum Beispiel seit fast fünf Jahren mit meiner Boutique selbständig und in dieser Zeit war ich meistens sechs Tage die Woche von 10.00 bis 18.00 Uhr im Laden und hatte in dieser Zeit genau zwei Krankheitstage (leider hatte ich einen Magen-Darm-Virus). Ich bin überzeugt, dass die MS nicht mehr nötig ist, um mir klar zu machen, dass ich dazu neige, zu hart mit mir zu sein. Wie gesagt, ich falle immer noch oft in meine Muster zurück, aber ich bin jetzt in der Lage, sie zu erkennen und dann mit mir selbst in einen inneren Dialog zu treten und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Nachdem ich nun fast fünf Jahre durchgearbeitet habe, hat mir mein Körper in letzter Zeit immer wieder signalisiert, dass ich Pausen machen sollte und das ist unter anderem auch einer der Gründe, warum ich mich entschlossen habe, eine Auszeit zu nehmen und mich für mehrere Wochen alleine auf den Jakobsweg entlang der spanischen Küste zu begeben.

Es ist an der Zeit, es ist meine Zeit und es ist an der Zeit für einen Mutausbruch. Der Jakobsweg wird eine große Herausforderung für mich, aber ich bin stolz darauf, dass ich gelernt habe, besser auf mich zu hören, und ich habe deutlich vernommen, dass ich wieder mehr auf mich achten muss. In diesem Sinne gehören die nächsten Wochen und Monate mir und ich bin überzeugt, dass mich diese Zeit sehr bereichern und mich gestärkt zurückkehren lassen wird.

4 Kommentare

  • Anja Hoffmann

    Sehr ehrlich, sehr berührend geschrieben. Wir haben mehrere Bekannte/Kollegen mit MS. Jeder befasst sich mit der Krankheit, möchte aber nicht nur darauf reduziert werden.
    Ich finde, Du hast großen Mut und ich werde mit Freude den Blog verfolgen.
    Ich wünsche Dir ein großartiges Jahr 2019!

    Liebe Grüße, Anja

  • Kerstin

    Wir haben ja in deinem tollen Laden schon über dein Vorhaben gesprochen und ich finde es immer noch klasse, dass du den Mut für diesen Schritt hast. Deine beiden Einträge haben mich sehr berührt und ich freue mich auf deine weiteren Einträge, wenn du uns an deiner Herzensreise teilhaben lässt. Ich wünsche dir von Herzen alles Gute und mögen deine Wünsche in Erfüllung gehen. Liebe Grüße, Kerstin.

  • Mario

    Das hast dur wirklich sehr treffend geschrieben.
    Ich freue mich schon sehr auf Deine Reiseberichte vom Jakobsweg. Dafür wünsche ich dir viel Ausdauer und Kraft, auch wenn es mal einsame Stunden gibt. Manchmal braucht man Dir einfach.

  • brigitta

    wow~ andreas~
    du machst mir mut~
    seit 5 jahren lebe ich mit einem lungenemphysem und wollte den jacobsweg auch laufen~ bis heute
    habe ich es nicht gschafft~
    mich nicht getraut~ angst davor zu ersticken~wenn die lunge überbläht~
    aber warum macht meine lunge das~
    ich habe nicht gesehen das mich diese geschichte positiv verändert hat~ bis jetzt~~
    und das verdanke ich dir~
    deinem blog~ deiner ehrlichkeit~
    dir alles lebe andreas

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