Jakobsweg

13. Tag

Verletzungsbedingter Aufenthalt in Santander

Was sich bereits abgezeichnet hatte ist nun eingetroffen, ich kann aktuell nicht weiterlaufen und lege daher in Santander eine Erholungspause ein. Wie lange diese Pause nötig wird, ist im Moment nicht absehbar. Beide Beine sind zu schmerzhaft, als dass ich den Schmerz ignorieren könnte. Da ist sie also nun, meine nächste schwierige Etappe und Lektion. Wie sehr habe ich mich davor gefürchtet und wie machtlos bin ich gleichzeitig. Hier geht es auch mit unbedingtem Willen und Ehrgeiz keinen Schritt weiter. Ein Umdenken ist also angesagt und ich denke es geht für mich an diesem Punkt nur mit der Annahme der aktuellen Situation weiter. Ja, ich war heute Morgen unendlich traurig und ich habe große Angst davor den Weg nicht fortsetzen zu dürfen. Vielleicht liegt hier aber schon mein erster Irrtum denn wer sagt, dass diese Situation nicht die Fortsetzung meines Weges ist? Ich bediente heute Morgen alt gewohnte Muster und verfiel in Selbstmitleid und war sehr unglücklich, dass mein Trip an dieser Stelle zum Stoppen kam. Ich sah zunächst nur, was aktuell in Gefahr ist und was ich evtl nicht mehr erleben kann anstatt zu sehen, welch großartige Zeit mir auf dem Camino bereits geschenkt wurde. An dieser Stelle vielen herzlichen Dank an viele wunderbare Kommentare und Nachrichten, die mich heute erreichten und die mir geholfen haben mich wieder aufzurichten. Wo kommt dieser Egoismus her und wie vermessen ist es von mir irgendetwas zu fordern? Es brauchte den Impuls von außen zu erkennen, dass ich im Moment lediglich nicht laufen kann und überhaupt nichts dagegen spricht in Santander eine gute Zeit zu verbringen. Nach der ersten Trauerphase ging es also erst mal raus und neben der Sonne fand ich schnell ein wunderschönes Kaffeehaus, wo ich mir einen Milchkaffee, ein getoastetes Baguette mit leckerem Schinken, ein Marmeladentoast und einen frisch gepressten Orangensaft gönnte. Aus dem Kaffeehaus zog es mich Richtung Hafen und nur wenige Meter weiter sah ich was wirklich wichtig ist im Leben. Eine Menschentraube (warum müssen Menschen so oft gaffen?) stand um einen jungen Motorroller Fahrer, der anscheinend kurz zuvor von einem Auto erfasst wurde und soweit ich erkennen konnte, nicht bei Bewusstsein war. Mir schmerzen lediglich zwei Muskeln in den Beinen und ich beklage mich darüber während wenige Meter weiter ein junger Mensch um sein Leben kämpft. Warum braucht es solche Bilder, um überhaupt mal die Verhältnisse richtig einordnen zu können. Auf meinem weiteren Weg kam ich an der Kathedrale von Santander vorbei und da heute anscheinend Sonntag ist (man verliert tatsächlich den Bezug zu Tagen und Urzeiten), strömten viele Leute ins Innere der Kirche. Ich erwähnte bereits, dass ich im klassischen Sinne nicht sehr religiös bin, aber irgendetwas zog mich förmlich in die Kathedrale. Selten hat mich ein Gesang so sehr beeindruckt, als der Pastor wiederholt während seiner Messe anfing zu singen. Das „Hallelujah“ ging durch Mark und Bein und ich war wie gefesselt in einer der hinteren Bänke gesessen. Wohlig warm und sehr ruhig kam ich aus dem Gottesdienst und verbringe seither viel Zeit in der Sonne am Hafen und gönne mir und meinem Körper Ruhe. Ich gehe davon aus, dass ich noch etwas länger hier bleiben werde und muss jetzt zunächst schauen, wie ich den verlängerten Aufenthalt hier finanziere. In den Pilgerherbergen darf man immer nur für einen Tag absteigen und so wohne ich aktuell in einer Pension, die natürlich einiges teurer ist, als die Herbergen.

Fazit des Tages: Unser wichtigstes Gut ist unsere Gesundheit (hatte wir schon einmal die Tage)

Memo an mich: gib alte Muster auf und genieße und lass los. Es kommt immer so, wie es kommen soll.

Zuletzt bete (auf meine Art und Weise) ich für den jungen Motorroller Fahrer und wünsche ihm gute Genesung.

3 Kommentare

  • Daniela

    Danke für die schönen Zeilen. Ich verfolge sie sehr gespannt:). Dein Körper möchte jetzt Ruhe u etwas Pause höre auf ihn. Er wird dir sagen wann es Zeit ist weiter zu gehen. Wende dich an den Pfarrer u frage ihn, ob er ggf. vielleicht eine private Unterkunft weis…die etwas günstiger ist, bist du wieder fit bist. Gib dir ein paar Tage zum Kraft sammeln u sieh es nicht als Strafe sondern als Geschenk denn Zeit ist u bleibt das wertvollste. Gute Besserung u LG

  • Frieda

    Tolle Bilder hast du wieder gepostet. Gute Besserung und schone Deinen Körper lieber einen Tag länger, es zahlt sich aus, Geduld zu haben.

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