Jakobsweg

17. Tag

Boo de Piélagos – Santillana del Mar 22 Km (6 Stunden)

Mein heutiger Bericht startet gestern Abend in der Pilgerherberge von Boo de Piélagos und was mir nach dem schwierigen gestrigen Tag dort alles widerfahren ist. Ich hatte ja berichtet wie kaputt und frustriert ich in der Unterkunft angekommen war und ohne Essen und Trinken und Schmerzen in den Beinen an einem Tiefpunkt angelangt war. Der Reihe nach begegnete mir zunächst Peter, ein deutscher Pilger, der seit 56 Tagen ununterbrochen unterwegs ist und bereits ganz Frankreich durchquert hat und der mir gegen meinen Hunger zunächst Brot und Salami und anschließend noch einige wichtige Tipps bzgl Umgang mit den Schmerzen, Ernährung, Laufverhalten und noch einiges mehr gab. Danach kam ich mit der Marathon Läuferin Tanja ins Gespräch, die mir neben einem Stück Schokolade ebenfalls einige hilfreiche Ratschläge mit auf den Weg gab, ehe ich kurz darauf auf Daniel, den Physiotherapeuten traf. Er bot mir an meine schmerzhaften Beine zu behandeln und so kam ich in den Genuss einer hilfreichen, professionellen physikalischen Therapie. Es kam also plötzlich alles zu mir, was ich am Ende des verkorksten Tages benötigte. Innerhalb kurzer Zeit boten mir wildfremde Menschen ihre Hilfe an und gestern war ich auch bereit diese Hilfen anzunehmen. Am Ende kam ich u. a. mit Ralf in ein Zimmer und auf den ersten Blick schienen wir zwei völlig unterschiedliche Typen zu sein. Dennoch war gestern bereits irgendwie klar, dass Ralf heute mein Pilger Bruder sein würde. Und so kam es dann heute Morgen auch. Ralf und ich starteten gemeinsam die heutige Etappe und liefen am Ende die komplette Strecke über 22 Kilometer und einer Gesamtzeit von sechs Stunden gemeinsam. Anfangs war noch nicht erkennbar warum sich unsere Wege gekreuzt haben, aber nach und nach wurde immer deutlicher was uns zusammen geführt hat. Könnt Ihr Euch noch an meine Begegnung mit dem jungen Maurice von vor einigen Tagen erinnern? Heute hatte ich dann die Begegnung mit einem Vater eines Jungen im Alter von Maurice. Ralf und Maurice sind nicht Vater und Sohn, aber sie erzählten mir einmal Ihre Geschichte aus der Sicht des Sohnes und einmal aus der Sicht des Vaters und ich selbst bin auch der Sohn eines Vaters und gleichzeitig im gleichen Alter wie Ralf. Ich kann und will Euch keine Details verraten, aber Ihr glaubt nicht, wie hochinteressant diese Konstellation für uns heute war. Ich hatte die Sichtweise des Jugendlichen, ich habe die eigene Sichtweise als Sohn und ich bekam heute zudem die Sichtweise des Vaters und es schien, als seien wir alle miteinander verbunden und mussten uns begegnen, um den jeweils anderen etwas besser verstehen zu können.

Durch die Therapie des Physiotherapeuten und der Einnahme von Schmerzmitteln war es mir heute möglich eine Etappe von 22 Kilometern nahezu schmerzfrei zurück zu legen und dies war natürlich ein absolutes Highlight für mich. Mit der Ankunft in Santillana del Mar habe ich heute außerdem die ersten 300 Kilometer der Gesamtstrecke zurück gelegt und bin sehr stolz auf meine bisherige Leistung. Vordergründiges Ziel ist es nun in den nächsten Tagen wieder schmerzfrei zu werden, um dann ohne Schmerzmittel weiter laufen zu können.

Gestern und heute habe ich wieder ganz viele neue Pilger kennen gelernt und ich fühle mich wieder sehr wohl innerhalb unserer Pilger „Familie“. Trotz weiterhin schmerzenden Beinen und mittlerweile stärkerer Erkältung hatte ich einen sehr schönen Tag und zum Abschluss gab es heute on top eine super tolle Pilgerherberge in einem ehemaligen Kloster in einer wunderschönen altertümlichen Stadt namens Santillana del Mar.

Jetzt hoffe ich auf eine gute, erholsame Nacht (ich huste ziemlich stark) und wünsche mir Morgen wieder einigermaßen schmerzfrei laufen zu können. Ich bin froh diese Extremerfahrung machen zu dürfen und ich bin bereit für alles, was der Camino für mich vorgesehen hat.

Fazit des Tages: Wir bekommen immer das, was wir brauchen. Zufälle sind eine Erfindung unserer Gedanken bzw. mit dem Begriff machen wir Dinge „erklärbar“, die wir nicht wirklich erklären können.

Memo an mich: Du hast die letzten Tage Deine Lektionen gelernt und setzt von den neuen Erkenntnissen bereits einiges gut um. Ich bin zufrieden mein Freund.

Ein Kommentar

  • Daniela

    Lieber Andreas,
    du wirst noch staunen was dein Weg dir noch alles bringt:) es ist als ob man vieles nochmal durchmachen muss um alles besser zu verstehen u glauben zu können. Ich konnte bis her gesundheitlich nur in De laufen… aber du glaubst nicht was wir hier für tolle Pilgerwege haben. Ich bin jeden Tag gespannt auf deinen Bericht u was du erlebt hast. Ich führte auch immer ein kl Büchlein mit allem was man erlebt u wen man trifft:).
    Buen Camino?LG

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