39. Tag
Sobrado dos Monxes – Arzua 23 Km (6 Stunden)
Gestern Abend wurden die Schmerzen im rechten Bein so stark, dass ich im Kloster nicht mehr in der Lage war mich fortzubewegen und es schien klar, dass mein Weg zu Ende sein würde. Meine Weggefährtinnen Angele aus Kanada und Regula aus der Schweiz versorgten mich mit Essen und sprachen mir Trost zu und schließlich weinten wir zu dritt und lagen uns in den Armen. Seit Tagen sind wir zu einem gut funktionierenden Team zusammen gewachsen und wir sind wie eine kleine Familie.
Die beiden gingen im Kloster in die Messe und baten um Hilfe für mich während ich ab 16:00 an mein Bett gefesselt war, weil ich einfach nicht mehr laufen konnte. Ich versuchte das Ende anzunehmen, war aber dennoch sehr traurig und enttäuscht. Ich nahm verschiedene entzündungshemmende Medikamente und machte immer wieder Salbenverbände um das lädierte Bein und bat ebenfalls noch einmal um Hilfe und Unterstützung. In der Nacht trug ich drei mal frische Salbe auf und versuchte so gut es ging zu schlafen.
Am Morgen war ich dann zunächst in der Lage in den Raum nebenan zur Toilette zu gehen und schnell nahm ich Brot und Wurst zu mir, so dass ich Schmerztapletten zu mir nehmen konnte. Ich konnte vorsichtig laufen und so machte ich mich fertig und Angele hatte am Vorabend noch recherchiert, dass man den Rucksack von einem Transportservice an die nächste Unterkunft bringen lassen kann. Wir tragen hier ständig ca. 12/13 Kg auf dem Rücken, was natürlich noch zusätzlich erheblichen Druck auf ein entzündetes Schienbein ausübt. Regula, Angele und ich legten schließlich fest, dass wir meinen Rucksack ins 23 Kilometer entfernte Arzua liefern lassen würden und so musste ich ca. 4 Kilometer zu Fuss durchhalten, ehe wir dann an der Straße entlang laufen würden, von wo aus ich jederzeit die Möglichkeit hätte meinen Weg mit einem Auto/“Taxi fortsetzen zu können. Wir liefen langsam und vorsichtig los und die Schmerzmittel zeigten ebenso Wirkung, wie das fehlende Gewicht auf dem Rücken und so hatten wir nach 2,5 Stunden die ersten 10 Kilometer zu Fuß zurück gelegt. Ich war so froh und erleichtert und wir drei hatten obendrein jede Menge Spaß beim Laufen. Wir kehrten dann schließlich um die Mittagszeit in einer Bar ein und aßen zu Mittag und machten eine dreißigminütige Pause. Anschließend schien es mir möglich weiter zu laufen und so machten wir uns wieder zu Fuß auf den Weg Richtung Arzua. Nach anfänglichen Schwierigkeiten wurde das Bein immer besser und phasenweise konnte ich dann annähernd schmerzfrei laufen. Wir liefen nochmals 13 Kilometer, ehe wir dann in Arzua in einer Pilgerherberge eingecheckt haben. Ich habe somit seit dem Start in Irun 802 Kilometer gelaufen und aktuell sind wir nur noch 38 Kilometer von Santiago entfernt. Dass ich heute laufen konnte gleicht einem Wunder und war definitiv gestern Abend nicht absehbar. Ich hatte einen phantastischen Tag und habe längst meine zwei Mädels aus der Schweiz und Kanada ins Herz geschlossen.
Jetzt gilt es mit den Kräften weiter zu haushalten und so Gott will, werde ich mich Morgen wieder auf den Weg machen können.
Erklärbar ist es nicht, wie ich heute wieder laufen konnte, aber es war dennoch möglich.
Ich bin jedenfalls sehr dankbar und voller Freude und werde weiter vertrauen.
4 Kommentare
christian stolina
Hallo Andreas,
nach dem ich nun einige Tage deinen Blog nicht gelesen habe, hab‘ ich jetzt alle nacheinander verschlungen und bin wieder auf dem neusten Stand ! Hut ab vor deinem Biss und Hut ab vor deinem Schreib-Talent !
Ich bin ganz sicher dass du jetzt die letzten Meter auch noch schaffst !
Grüße aus der Pfalz, Christian
Yasmine
Lieber Andreas,
Wunder gibt es immer wieder!
Dein Wunder wird dich nach Santiago begleiten. Dein Vertrauen, deine Zuversicht, die auf dem Jakobsweg so unglaublich gewachsen sind, werden dich führen!
Fühle dich von uns allen, die wir deinen Blog lesen, in Gedanken getragen und unterstützt! Du wirst den Weg schaffen und ankommen!
An dieser Stelle schon Gratulation für gelaufene 802 km! Was für eine immense Strecke!
Fühle dich begleitet von mir! Ich schicke dir alle Kraft für die letzten 38 km!
Deine Yasmine
Christine
Hallo lieber Andreas,
Seit Tagen geht es mir durch den Kopf, aber jetzt scheint der richtige Zeitpunkt, es zu sagen. Ich empfinde Dich als sehr mutig und ich bewunderte Dich. Vielen lieben Dank, dass ich teilhaben darf.
Daniela
Lieber Andreas,
den Mädels ein großes Lob das Sie dich so toll unterstützen?. Es ist ein Stück euer gemeinsamer Weg. Ihr schafft das wir sind alle in Gedanken ? bei Dir/ Euch u sagen DANKE das ihr uns täglich teilhaben lasst.
Kommt gut u sicher an u notfalls mit ? wenn die Beine nicht mehr können, egal. Kein Wunder bei den km ??
Liebe Grüße u Buen Camino Daniela