Jakobsweg

43. Tag

Santiago – Landau

Der Morgen danach

Ich wachte mit einem dicken Kopf auf und realisierte, dass mit der Ankunft tags zuvor in Santiago das Ziel erreicht war und somit das große Abenteuer kurz vor seinem Ende stand. Wo sollte ich heute hin, was war mein heutiges Ziel und warum war plötzlich alles vorbei? Es fühlte sich nicht gut an und wie in Trance ging ich unter die Dusche, zog mich an und ging raus in die Stadt. Ich lief wie ein Fremdkörper durch die Gassen und heute weiß ich nicht wirklich, wo ich überall war. Ein nettes Café zog mich zu einem ersten Frühstück an und die Kathedrale wollte ich unbedingt auch noch von innen sehen. Aktuell wird sie innen renoviert, so dass man nicht die komplette Schönheit der Kathedrale zu sehen bekommt, was ihrer faszinierenden Anziehungskraft allerdings keinen Abbruch tut. Es ist ein besonderer Ort und wie im Vorfeld angekündigt, habe ich für mich, Euch und meiner Pilgerfamilie eine Kerze angezündet. Mittlerweile weiß ich, dass ich auf meinem Weg begleitet und getragen wurde, auch wenn ich mich nicht ganz mit der Institution Kirche identifizieren kann. Ich hatte meine Gespräche, meine Begegnungen und weiß, dass ich Unterstützung von außen erfahren habe. Ich habe um Hilfe gebeten und habe sie erhalten. Vielen Dank dafür.

Ich lief zwei Stunden in Santiago umher und schaute mir selbst mein eigenes Video kurz vor der Ankunft in Santiago an und konnte jede einzelne Emotion von meinem eigenen Gesicht ablesen und nochmals nachfühlen. Es war so viel Freude, Stolz, Erschöpfung, Rührung und auch Schmerz erkennbar und ich bin für jede dieser Gefühle sehr dankbar. Ich bin in der Lage jede dieser Gefühle zu spüren und auch zuzulassen und muss sie auch im Außen nicht verstecken.

Kurz vor dem Start in Irun konnte ich eins meiner Ziele konkret benennen. Ich wollte mich selbst als Freund finden und darf voller Überzeugung sagen, dass mir dies weit vor Santiago bereits gelungen war. Ich bin sehr bei mir angekommen und die Etappen, die ich alleine gelaufen bin haben mir genauso gut gefallen, wie die Tage, wo ich mit wundervollen Menschen laufen durfte.

Um 12:00 Uhr war die Pilger Messe (wegen der Renovierung leider nicht in der Kathedrale) und die Menschen strömten in die Kirche, die bis auf den letzten Platz belegt war. Es war ein passender und bewegender Abschluss meiner Pilgerreise und nicht nur bei mir fließen die Tränen.

Es war nun zu Ende und es hieß Abschied zu nehmen. Abschied von der Reise meines Lebens, Abschied von Santiago, Abschied von all den anderen Pilgern, Abschied von Spanien und nicht zuletzt Abschied von Angele aus Kanada und Regula aus der Schweiz. Die beiden Frauen waren fast eine Woche lang meine kleine Familie und wir haben uns in dieser „kurzen“ Zeit sehr intensiv kennen lernen dürfen. Wir haben so viel zusammen gelacht und auch zusammen geweint und wir haben unter ungewöhnlichen Umständen zueinander gestanden. Angele schrieb gestern den wunderbaren Satz: Dont be sad it’s over – be happy it happened! (sei nicht traurig, dass es vorbei ist, sei glücklich, dass es geschah). Dieser Satz trifft es auf den Punkt und ich bin sehr dankbar, dass diese Reise mit all ihren Begegnungen mein Leben in so kurzer Zeit so sehr bereichert hat.

Vor der Kirche hieß es dann Abschied zu nehmen und mich auf den Weg zum Flughafen zu machen und am Flughafen angekommen, kam ich in der Schlange zum Checkin Schalter schnell mit der Backpackerin Mareike aus Deutschland ins Gespräch. Sie war mir sofort sympathisch und wir hatten direkt einen Draht zueinander. Da wir in zwei unterschiedlichen Schlangen anstanden, wurden wir allerdings früh wieder voneinander getrennt, da ihre Reihe schneller voran ging, als meine ( bei Rewe und Aldi stehe ich auch immer in der Reihe, die langsamer voran geht). In dem Moment, als unser Gespräch unterbrochen wurde, war mir aber bereits klar, neben welchem der ca. 240 Fluggästen ich anschließend im Flieger sitzen würde. Ich denke es überrascht Euch ebenfalls nicht, wenn ich Euch berichte, dass Mareike und ich tatsächlich nebeneinander saßen und uns den kompletten Rückflug so einiges zu erzählen hatten.

Eine Woche vor meinem Rückflug habe ich ein kleines Experiment gewagt und hatte auf Facebook gefragt, ob Jemand Zeit und Lust hätte mich bei meiner Ankunft am Flughafen abzuholen. Ich habe gelernt, dass ich um Unterstützung fragen darf und so dauerte es nicht lange, bis sich zwei Menschen, die ich beide nicht näher kenne bei mir gemeldet haben. Susanne, die meinen Blog verfolgt hatte stand tatsächlich am Ausgang und nahm mich bei meiner Ankunft in Frankfurt Hahn in Empfang und fuhr mich anschließend heim nach Landau. Susanne arbeitet in Mannheim, fuhr nach der Arbeit nach Frankfurt Hahn und fuhr mich anschließend nach Landau. Liebe Susanne, das ist nicht selbstverständlich und ich danke Dir von Herzen für diese schöne Rückfahrt und Deine selbstlose Hilfe. Ich habe gelernt um Hilfe zu fragen und ebenso gelernt Hilfe anzunehmen, wenn sie mir angeboten wird. Vielleicht kommt es nicht direkt von mir zurück, aber ich bin sicher, dass Susanne ebenfalls geholfen wird, wenn sie Hilfe benötigt.

Als nächstes berichte ich Euch, wie die ersten Tage zu Hause verlaufen sind und welches die weiteren Schritte bei meinem Mutausbruch sind.

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