Es graut so grau
Morgens um 8.30 Uhr irgendwo in Portugal am Atlantik. Es ist grau und ich glaube, das spiegelt mein momentanes Innenleben sehr gut wider. Wie Loriot es jetzt beschreiben würde: Es ist eine Mischung aus Mausgrau, Steingrau, Aschgrau und einem frischen Mittelgrau.
Ich hatte eine gute Nacht und mein Wunsch, allein in dem Viererzimmer zu schlafen, ging in Erfüllung. Doch heute Morgen waren wieder diese Zweifel da und wie eingangs beschrieben, schien alles irgendwie grau zu sein. Wieder keine Menschenseele unterwegs und so trottete ich vor mich hin, Schritt für Schritt. Zu meiner Überraschung machte sich die verspannte Plantarsehne am rechten Fuß nur dezent bemerkbar und so konnte ich fast normal laufen. Ich war bereits 3-4 Stunden unterwegs, als ich auf Katrin aus Österreich und Oleg aus Texas traf, mit denen ich ins Gespräch kam und mich ihnen zunächst anschloss. Mit Katrin hatte ich ein interessantes Gespräch und es tat gut, sich mal mit jemandem unterhalten zu können. Zu meiner eigenen Überraschung wollte ich nach ca. einer Stunde wieder alleine weitergehen und so konnte ich die beiden wieder ziehen lassen. Ich hatte also längere Zeit Lust auf ein Gespräch und dann wollte ich doch relativ schnell wieder mit mir alleine sein. Manchmal bin ich schon eine komische Nummer. Aber es hat mir bewusst gemacht, dass ich gelernt habe, mit mir alleine zu sein und die Begegnung mit den beiden war irgendwie auch der Game Changer an diesem Tag. Aus dem frischen Mittelgrau war inzwischen sogar ein helles, freundliches Grau geworden. Ich lief im Einklang mit mir und irgendwann war dieser große innere Widerstand nicht mehr da. Mittlerweile war ich einige Stunden und etwas mehr als 20 Kilometer unterwegs und so langsam stellte sich die Frage, wo ich heute ankommen wollte. Ich las von Viano do Castelo und irgendwie sprach mich die Beschreibung des Ortes an und gleichzeitig waren es noch ca. 14 Kilometer bis zu dieser historischen Stadt.
Ich beschloss weiterzulaufen und schlug meinem Körper einen Deal vor. Heute noch bis Viano do Castelo und dafür morgen ausschlafen und zumindest den Vormittag frei haben. Das klang stimmig und das Veto des Körpers hielt sich bei der Aussicht auf einen halben freien Tag in Grenzen. Kaum war der Deal ausgehandelt, öffnete der Himmel seine Schleusen. Es goss wie aus Kübeln und nach der Regenjacke kam schnell das Regencape zum Einsatz. Zu meiner Überraschung tat dies meiner Stimmung aber keinen Abbruch, bin ich doch sonst ein bekennendes Sommerkind. Ich konnte mich spüren und auf mich verlassen und nach 9 Stunden und 34 Kilometern kam ich völlig durchnässt in meiner Unterkunft an. Eine warme Dusche im Zimmer, schauen, ob ich meine Sachen irgendwie trocknen kann und am nächsten Morgen den halben freien Tag in der schönen Stadt genießen. Die ersten 90 Kilometer sind geschafft und bis Santiago sind es noch knapp 200 Kilometer.