
Körper und Geist sind nicht immer im Einklang
Ja, es ist ruhig geworden um mich in den letzten Wochen und das Schreiben musste warten. Diese Ruhe ist unfreiwillig und von meinem Körper anscheinend verordnet. Ich „kämpfe“ aktuell mit meinem Körper, der einfach nicht funktionieren will und mich ständig in den „Sparmodus“ versetzt. Klinisch würde man von Fatique sprechen und diese ist ein sehr häufiges Begleitsymptom von Mutipler Sklerose (80% der Betroffenen leiden unter Fatique). Ich will und wollte noch nie wegen der MS bemitleidet werden und auch im Falle der Fatique trifft dies auf mich zu. Was ich allerdings gerne hätte, wäre Verständnis und ernst genommen zu werden. Fatigue ist im Außen nicht sichtbar und das macht es für Betroffene nicht unbedingt leichter. Im Gegenteil, es ist in unserer Gesellschaft nicht so einfach auf Akzeptanz zu hoffen, wenn man nicht leistungsfähig ist, die Einschränkungen aber nicht offen sichtbar sind. Vielmehr fällt es uns anscheinend leichter dem Gegenüber zu misstrauen oder seinen Willen gar in Frage zu stellen. Wie äußert sich diese Fatique bei mir? Ich werde zum Beispiel nach einer durchgeschlafenen Nacht mit ausreichend Schlaf morgens wach und mir ist schon beim Aufwachen übel und ich fühle mich direkt über die Maßen erschöpft. Also, die Nacht liegt gerade hinter mir und ich bin schon völlig platt, ehe der Tag überhaupt begonnen hat. Oft kommt noch ein leichtes Schwindelgefühl und diffuse Kopfschmerzen hinzu, die oft den ganzen Tag anhalten. Es fühlt sich an, als würde ich nie so ganz wach werden und es scheint, als stecke ich unter einer Glasglocke und würde mein Umfeld daher auch nur gedämpft wahrnehmen können. Dieser Zustand ist sehr unangenehm und da er mehrere Tage am Stück anhalten kann auch sehr anstrengend. Was nämlich dennoch in dieser Zeit der Erschöpfung bleibt sind die vielen täglichen Verpflichtungen, denen man nachkommen müsste und die in diesem Zustand teils nur schleppend oder gar nicht bewältigt werden können. Die letzten Tage habe ich jeweils ca. zwei Stunden gebraucht, um vom Bett ins Bad zu kommen um mich dort fertig machen zu können. Fertig ist das richtige Stichwort! Ich fühle mich fertig und habe schon genug damit zu tun diese völlige Erschöpfung irgendwie an mir zu akzeptieren. Eigentlich gelingt dies auch nicht wirklich, da ich vom Kopf her ja immer der gleiche Mensch bin, der aber eher ehrgeizig und aktiv ist. Es kostet mich also enorm viel Energie diesen „Kampf“ gegen meinen Körper nicht zu exzessiv zu betreiben und mir diese (vorübergehende) Schwäche einzugestehen und bestenfalls auch für mich zu akzeptieren. Immer wieder versuche ich mich dagegen zu stemmen und dieser „Bewegungsunfähigkeit“ zu entkommen. Wie auch immer, egal wie groß auch mein Widerstand ist, mein Körper zeigt mir Grenzen auf und weist mich immer wieder in die Schranken. Da ist also einerseits das Problem mit mir selbst und dazu kommen dann noch jede Menge Probleme im Außen. Man sieht mir diese Erschöpfung nicht direkt an und so hat mein Umfeld und auch die Gesellschaft so seine Erwartungen an mich. Das geht bei einer einfachen Verabredung im Freundes- oder Familienkreis los, die man evtl kurzfristig wegen Erschöpfung absagt und geht beim Haushalt weiter, weil dort alltägliche Dinge ebenso erledigt werden wollen, wie Termine von Ämtern uvm., die es einzuhalten gilt. Ich habe mich vor einigen Jahren zum Großteil von der klassischen Schulmedizin verabschiedet und da kommt auch schon das nächste Problem. Da ich viele Medikamente ablehne bin ich bei den Schulmedizinern so ein kleiner Systemverweigerer, dem man schnell ebenso mit Ablehnung begegnet. Ich habe mehrere Jahre eine sogenannte Basistherapie gegen die Multiple Sklerose eingenommen und muss sagen, dass ich so einiges an Nebenwirkungen durch die eingenommenen Medikamente hatte. Irgendwann habe ich mich dazu entschlossen auf diese Medikamente und ihre Nebenwirkungen zu verzichten und vertrat immer mehr die Meinung, dass Erkrankungen ihren Ursprung in unserer Psyche haben und ich bei mir besser für eine ausgewogene Psyche sorgen sollte, als mit Chemie irgendwie in meinen Körper einzugreifen. Ich bin und war bereit dafür die Konsequenzen zu übernehmen und fuhr die letzten Jahre ohne Einnahme dieser Medikamente allerdings auch sehr gut. Viele Jahre hatte ich keinen MS Schub und ich bin und war fast völlig normal belastbar. Soweit so gut, aber das sehen manche Ärzte anscheinend nicht ganz so wie ich. Seit ich offen sage, dass ich viele Medikamente ablehne, werde ich im Gegenzug von den Ärzten abgelehnt. Ich habe nicht das Gefühl, dass man sich für und mit mir freut, dass mein Schritt ohne Medikamente bislang so erfolgreich war und ich so wenige Probleme mit der MS habe. Komme ich dann z. B. mal mit den Symptomen der Fatique zum Arzt, werde ich meiner Wahrnehmung nach, eher abweisend behandelt und bekomme als Therapie die ungewollte Basistherapie vorgeschlagen. Eine Alternative hierzu wird mir nicht angeboten. Meiner Überzeugung nach lehne ich dann die Basistherapie mit ihren erheblichen Nebenwirkungen ab und werde anschließend hingestellt, als würde ich eh alles verweigern. Nein, ich verweigere nicht alles! Ich bin aber ein selbstbestimmter Mensch, der sich Gedanken macht was in seinen Körper soll und was besser nicht. Das heißt im Umkehrschluss nicht, dass ich keine Hilfe möchte und das heißt auch nicht, dass ich mich so abweisend behandeln lassen möchte. Es kommt mir öfter wie eine Doppelbestrafung vor, auf der einen Seite die Einschränkungen der Erkrankung und auf der anderen Seite, die Art wie man mich für meine Einstellung behandelt. Mein letzter Arztbesuch letzte Woche lief wie folgt ab: Ich beschreibe dem Arzt die Symptome der Fatique ( wie gesagt, 80% aller an MS erkrankten haben Fatique und deshalb sollten die Symptome nicht ganz unbekannt sein) und nachdem ich also von dieser aktuellen Erschöpfung berichtet hatte meinte der Arzt als erstes: „Was soll ich da jetzt machen?“ – Sein zweiter Satz war dann: „Soll ich sie mal raus nehmen?“ Es war die Frage, ob ich gerne eine Krankmeldung hätte und ich muss zugeben, dass ich mich spätestens ab diesem Zeitpunkt nicht mehr ernst genommen fühle. Ich möchte in erster Linie, dass man mir unter Berücksichtigung meiner Einstellung zu diversen Medikamenten dennoch hilft und meine Beschwerden lindert. Ob eine Krankmeldung zusätzlich von Nöten ist sollte am Ende ggf. besprochen werden, aber nicht die eigentliche Behandlung ersetzen. Zu guter letzt schrieb mir der Arzt ein Medikament auf und empfahl mir eine vierwöchige Einnahme der verschriebenen Tabletten. Nachdem ich die Tabletten in der Apotheke abgeholt hatte schaute ich in den Beipackzettel und siehe da, es tauchten sämtliche Symptome, die ich dem Arzt beschrieben hatte, darin auf. Allerdings tauchten sie allesamt als Nebenwirkungen des Medikaments auf. Wenn man also erschöpft ist, Schwindelgefühle, Kopfschmerzen und Übelkeit hat dann verschreibt man nach Ansicht des Arztes ein Medikament, dass Müdigkeit, Schwindelgefühle, Übelkeit und Kopfschmerzen verursacht. Ich bin kein Arzt, aber ich habe (m)einen gesunden Menschenverstand und ich bin nicht bereit einem Arzt zu folgen, der mir entweder nicht zuhört oder der mich nicht ernst nimmt. Minus mal minus ergibt vielleicht in der Mathematik plus, aber Erschöpfung bekämpfe ich dennoch nicht mit Tabletten, die eine Erschöpfung hervorrufen.
Ich will und brauche kein Mitleid, aber ich möchte mich auch nicht entschuldigen müssen, wenn ich erschöpft bin und ich möchte auch nicht wie ein Verweigerer hingestellt werden, weil ich Sorge für mich selbst trage und nicht unreflektiert alles einnehme, was ein Arzt mir so verschreibt. Eine weitere Nebenwirkung der Tabletten lautete wie folgt:
Suizidale Gedanken, suizidales Verhalten nach Einnahme des Wirkstoffes. Die Häufigkeit war aber auf Grundlage der verfügbaren Daten nicht abschätzbar.
Ich habe also beschlossen nicht zu einer verfügbaren Datei zu werden und habe die Tabletten entsorgt bevor sie Gelegenheit hatten mich zu entsorgen.

2 Kommentare
Tatjana
Ein sehr mutiger und offener Beitrag von dir.
Zu sich selbst zu stehen, zu akzeptieren – ist ein langer Weg, der sich lohnt zu gehen.
Deine Worte haben mich daran erinnert und bestätigt, dass die Alternativmedizin in solchen Fällen das optimalste ist, wofür man sich entscheidet.
Ich kenne mich mit MS nicht aus, ich kenne die Symptome wie ständige Müdigkeit, Erschöpfung, Lustlosigkeit und damit verbundenen Auswirkungen auf den Alltag, auf das private Leben.
Du stehst alleine da, keiner kann dir helfen, bis du es verstanden hast, was mit dir passiert, wie passiert das.
Es vergingen Jahre, unbewusste Jahre bis zu einem Punk, wo es zum Ausbruch kam.
Isolation von Außenwelt (um Mitleid und Unverständnis zu vermeiden), Auseinandersetzung mit sich selbst ohne Medikamente, um sich besser zu verstehen (Medikamente benebeln den Geist, lindern nicht die Ursache).
Ich wollte verstehen, was und warum passiert das?
Psychologische Bücher gelesen, ich wollte tiefer graben.
Heilpraktische Besuche öffneten mir die Tür in innere Welt, die sehr mit der Psyche in Verbindung steht.
Dein Körper ist das Spiegelbild deiner Seele und deines Geistes.
Das erfüllte mich mit Begeisterung, ich lebte langsam auf, ohne Medikamente habe ich meine Depressionen im Griff.
Auf deinem weiteren Weg wünsche ich dir viel Erfolg und Kraft, Gesundheit und Glück.
Liebe Grüße
Tatjana
Andrea
Lieber Andreas, vielleicht ist es bei den Ärzten ja einfach Ratlosigkeit, die ja leicht in Ablehnung münden kann. Wenn du etwas anderes möchtest als das, was sie von ihrer Ausbildung her zu bieten haben, wird es für sie knifflig. Da muss ein Arzt schon sehr empathisch sein und auch aufgeschlossen, um dich weiter auf Augenhöhe begleiten zu wollen. Es lohnt sich nach meiner Erfahrung aber, so jemanden zu finden! Und dass außerdem deine Innenwelt gespürt und genährt werden will, das hat du ja erkannt. Halt die Erkenntnis fest! Ich hab selbst auch eine etwas komplizierte chronische Krankheit. Mein Körper reagiert sehr deutlich und dankbar, wenn ich ehrlich mit mir selber bin und meine Wahrheit wirklich zulasse. Ich musste mir vor kurzem eingestehen, dass ich mir die Zuneigung von Menschen immer verdienen wollte – hart verdienen. Einfach so gemocht zu werden, das konnte ich mir gar nicht vorstellen. Ich fange jetzt mit Anfang 50 erst an zu verstehen, wie brutal ich mir mit diesem Denken die Selbstliebe versagt habe – und warum. Dieses ganze Balance-Ding hielt ich für Luxus – nicht für mich, dachte ich oft voller Bitterkeit. Ich musste ja funktionieren. Nun ja. Der Körper zeigt, was er davon hält 🙂 . Ich lerne. Dein Blog beschert mir gerade ein paar Puzzleteile, die mir noch gefehlt haben, danke dafür! — Ich wünsch dir viel Gutes in der Crau! Hatte deinen Post auf UgH gesehen. Dann noch Landau, ganz nah bei, und natürlich die tollen Fotos – das hat mich neugierig gemacht.