L’Abrivado (Ankunft der Stiere)
Nachdem nun die ersten Fotos im Kasten sind geht es für mich zurück an den Pool und erst einmal wieder etwas die Sonne Südfrankreichs tanken. Ich entspanne auf dem Liegestuhl und blicke auf das wunderschöne Landhaus und den 100jährigen Baum sowie auf meinen Freund, den Olivenbaum. Hier lässt es sich wunderbar relaxen und als sei mein Glück nicht schon perfekt genug, bringt mir Veronika noch einen dieser leckeren Thé à la menthe (Pfefferminztee) nach Art des Hauses (hier kommt der arabische Einfluss von Rachid durch) an den Pool und will wissen, ob ich am Abend Lust habe mit auf ein Dorffest zu kommen . Natürlich habe ich Lust!
Kurz darauf ist auch schon Essenszeit und nachdem ich wieder mit frischem, super leckerem Essen im Kreise der Familie versorgt wurde, mache ich mich wieder an die Arbeit und dekoriere die nächsten Zimmer, die ich dann anschließend am Nachmittag ablichte. Zunächst ist die wundervolle, offene pinkfarbenen Küche mit den schönen alten Fliesen dran.
Weiter geht es dann im Wohnesszimmer nebenan weiter, wo ich mir zu Deko Zwecken im Garten einen Blumenstrauß im Stile der Provence zusammen pflücke und ihn passend zu der Einrichtung auf dem Tisch drapiere. Nun können die nächsten Fotos für heute geschossen werden, ehe ich mich anschließend fertig für den Besuch des Dorffestes mache.
Veronika, die Kinder und ich kommen in den Ort hinein und im Zentrum des Ortes stoßen wir auf Menschen am Straßenrand, die hinter einem Gitterzaun stehen, der entlang der kompletten Straße aufgebaut wurde. Kaum komme ich am Zaun an, da wird es auch schon lauter und eine Herde Reiter kommt aufgeregt die Straße herunter geritten und inmitten dieser Reiter ist ein Stier, den die „Gardians“ auf ihren schönen Camargue Pferden versuchen in Schach zu halten. Vom Rand aus schlüpfen immer wieder mutige, einheimische Dorfburschen (attrapaïres) zwischen den Gitterstäben hindurch und versuchen dem Stier den Ausriss zwischen den Pferden zu ermöglichen bzw. den Stier zum Stehen zu bringen. Die jungen Männer des Dorfes versuchen dabei schreiend und gestikulierend den Riss zwischen den Pferden zu schaffen, um an den Bullen zu gelangen und ihn durch packen an den Hörnern zun Stand zu bringen. Diese Mischung aus Mutprobe der Dorfjugend, den angesehenen Gardians auf ihren Camargue Pferden und den Stieren auf den Straßen des Dorfes sorgen für viel Spannung und Unterhaltung in der Bevölkerung. Früher war es noch so, dass wenn die Jugendlichen den Stier rausgezogen bekamen und immobilisieren konnten dann gehörte der Stier dem Dorf, erklärt mir Veronika während gerade der nächste Stier nur wenige Zentimeter vor mir vorbei gerannt kommt und ich schnell wieder Schutz hinter dem Gitterzaun finde.
Der Stier hat in der Camargue eine besondere Bedeutung und eine lange Tradition. Hier feiert man den Stier und das Camargue-Pferd in den Arenen, aber auch auf den Straßen der Dörfer .
L’Abrivado nennt sich dabei die Ankunft der Stiere, die von den Gardians zu Pferde begleitet werden. Mehrere abrivados folgen nahtlos aufeinander und stellen die Erfahrung der Gardians auf eine harte Probe. Es gilt die Stiere in Formation zu halten, die immer wieder versuchen auszureißen. Der Stier wird dabei in enger Formation von den berittenen Hirten (den Gardians) auf ihren Pferden umkreist, um zu vermeiden, dass die attrapaïres (jungen Dorfburschen) die Stiere nicht entwischen lassen können. Dies ist dann Gelegenheit für die Gardians, die Fähigkeiten und die Geschicklichkeit ihrer Pferde zu demonstrieren und in den Straßen des Dorfes entflohene Stiere wieder einzufangen und in Formation zu bringen.
Auf der Straße herrscht gute Stimmung und nach dem L’Abrivado wird anschließend bei Musik und dem ein oder anderen Getränk auf dem Festplatz in der Dorfmitte einfach weiter gefeiert. Ich hatte einen sehr schönen Abend inmitten der Einheimischen und entgegen dem spanischen Stierkampf ging es hierbei nicht um Leben und Tod sondern um eine alte Tradition mit viel Respekt vor Stier und Pferd.
Bleibt dran und erfahrt noch mehr von meinen Erlebnissen in der Provence.
3 Kommentare
Sieglinde Weinert Guita
Dieser Ort hat Ähnlichkeit mit meinem geliebten Chamusca im RIBATEJO in Portugal. Hier ist dieses Fest immer im Mai und es dauert eine ganze Woche. Wenn du es erleben möchtest, bist du herzlich eingeladen. Auch hier ist es eine alte Tradition mit viel Respekt vor Stier und Pferd. Es gibt aussagekräftige Videos von letztem Jahr bei YouTube „Acensão Chamusca 2019“
Deine Beiträge und Bilder sind wunderschön. Sie haben mich berührt.
Alles Liebe von Sieglinde Weinert
andreasfischl
Liebe Sieglinde,
vielen lieben Dank für Deine schönen Worte. Es ist ein tolles Kompliment, wenn Du Dir anhand meiner Bilder und Texte den Ort vorstellen kannst und ihn vor Deinem geistigen Auge fühlen kannst. Es war ganz wundervoll dort und ich hatte eine tolle Zeit bei lieben Menschen. Wie bist Du auf meinen Blog gestoßen?
Lebst Du denn aktuell in Portugal? Erzähl mir gerne Deine Geschichte dazu.
Ganz liebe Grüße
Andreas
Sieglinde Weinert Guita
Lieber Andreas,
zuerst gesehen habe ich dich mit deinem Beitrag bei Urlaub gegen Hand und es hat mich so neugierig gemacht, daß ich mir auch alles bei FB und deinen Blog von dir angesehen habe. Du und deine Beiträge haben mir einen Menschen mit sehr viel -im Vergleich zu Anderen – angenehm unaufgesetzter Tiefe gezeigt.
Hier in Portugal lebe ich, seit ich 2011 von Köln hierher gezogen bin, in dem gemeinsam auf dem geerbten Grundstück meines leider 2015 plötzlich verstorbenen Mannes, nach unseren Vorstellungen und Bedürfnissen gebauten Haus mit Pool!!! Ob ungewollt oder gewollt sehr einsam, das bin ich gerade dabei heraus zu finden. Meist ist mir ein interessantes Buch lieber, als oberflächliches Gequatsche.
Darum sind mir tiefgründige Menschen sehr willkommen. Reden, schweigen und man selbst und angenommen sein. Das läßt ungeahnte S(a)eiten schwingen.
Weißt du schon, wie es jetzt für dich weiter geht?
Allerliebste Grüße von Sieglinde