
Was mich die Bücher lehrten
Es ist Weihnachten 2018 und vor knapp vier Wochen habe ich nun publik gemacht, dass ich meinen wunderschönen Laden aufgeben werde, um in wenigen Monaten den Jakobsweg entlang der spanischen Küste pilgern zu können. Für viele Außenstehende kam diese Entscheidung sehr überraschend, aber für mich ist es ein Weg, den ich seit Monaten im Hintergrund vorbereitet und seither zielstrebig verfolgt habe. Ich erfülle mir einen Traum und dafür bin ich bereit loszulassen.
Apropos: Loslassen ist meiner Meinung nach ein großes Thema für uns Menschen. Wir lassen nicht gerne los bzw. halten gerne an Gewohnheiten fest, weil sie uns Sicherheit verleihen. Veränderungen, egal welcher Art, machen uns oft Angst und holen uns aus unserer Komfortzone heraus. Warum bin ich also bereit loszulassen und was hat mich dazu bewogen? Es sind oft die sogenannten Krisen in unserem Leben, die uns wachsen lassen und so ging auch ich vor 2,5 Jahren durch ein tiefes Tal, hervorgerufen durch eine private Trennung. Nachdem ich verlassen wurde hatte ich viele Fragen und schnell entdeckte ich für mich das Lesen und so suchte ich anfangs vornehmlich in spirituellen Büchern nach Antworten auf meine Fragen. Ich verschlang ein Buch nach dem anderen und schnell wurde das Lesen für mich zu einem neuen Hobby. Nachdem ich zunächst unzählige Ratgeber gelesen hatte erweiterte ich das Feld und entdeckte in der Folgezeit viele großartige Bücher. Schnell bemerkte ich das Phänomen, dass ich am Ende eines Buches „trauerte“ und mich nicht von dem jeweiligen Buch trennen wollte, hatte ich mich doch gerade erst auf die Charaktere und Geschichte der jeweiligen Lektüre eingelassen. Es fiel mir schwer ein Buch zu beenden und es fühlte sich immer wieder wie ein Verlust an. Dies wiederholte sich einige Male, bis mir irgendwann klar wurde, dass ich viele tolle Bücher nur entdecken konnte, weil ich ein Anderes zuvor fertig gelesen und abgeschlossen hatte. Es ergab also plötzlich für mich einen Sinn ein Buch, auch wenn es noch so fesselnd und inspirierend war, zu Ende zu lesen und loszulassen. Nur so konnte dann wieder ein neues Buch zu mir kommen und mich auf seine eigene Art und Weise wieder neu begeistern. Durch diese Erfahrung mit den Büchern und der anfänglichen Trauer, wenn ein tolles Buch zu Ende war, gelang es mir immer besser, dieses Prinzip auf mein Leben zu übertragen. Manchmal müssen wir erst ein wunderbares „Buch“ zu Ende lesen und loslassen damit ein neues, anderes „Buch“ in unser Leben kommen kann. Es gibt dabei viele unterschiedliche „Bücher“ und Manche lassen uns lachen, andere lassen uns träumen und wieder andere „Bücher“ lassen uns ängstlich oder gar traurig werden. Die „Bücher“ haben aber alle eins gemeinsam, sie erzählen uns Geschichten und wecken in uns Emotionen. Wir sind gerne glücklich und wir lachen gerne, aber wenn wir ehrlich zu uns sind, sind es oft auch die schwierigen Zeiten in unserem Leben, die uns heraus fordern und die uns vor Augen führen, wie stark wir eigentlich sein können.
Ich habe wirklich viele wundervolle Bücher lesen dürfen und eins ist dabei besonders heraus gestochen und hat mich tief bewegt und sehr berührt. Dieses Buch hat seinen ganz eigenen Platz bei mir gefunden und steht alleine in einem Regal. „Ein wenig Leben“ von Hanya Yanagihara handelt von der lebenslangen Freundschaft zwischen vier Männern, die sich am College kennengelernt haben. Dieser Roman wühlt zutiefst auf und begibt sich dabei an die dunkelsten Orte. Wie häufig kommt es vor, dass eine Geschichte so tief aufwühlt, dass man beim Lesen weinen muss? Diesen außergewöhnlichen Roman möchte ich heute in meinem ersten Blogbeitrag als Lesetipp nennen und ich freue mich auf Eure Kommentare, wenn Ihr das Buch evtl. selbst schon gelesen habt oder jetzt evtl. lesen werdet.
Bei meinem aktuellen „Buch“ (der wunderschöne Laden) bin ich auf den letzten Seiten angekommen und in wenigen Wochen werde ich es zu Ende gelesen haben. Ich bin dann bereit loszulassen und schon sehr gespannt welche „Bücher“ ich in naher Zukunft dann entdecken werde. Es ist daher kein Verlust, es war vielmehr ein großartiges „Buch“ und es wird immer in meiner Erinnerung bleiben und damit auch immer Teil meines Lebens sein.
Genauso verhält es sich mit der Liebe, sie wird immer Teil meines Lebens sein und ich bin sehr dankbar, dass ich über längere Zeit so tiefe Gefühle empfinden durfte.


5 Kommentare
Tine
Ich freue mich auf Deine Berichte, Erzählungen und Tipps. Es ist schön bei Deinem Mutausbruch teilhaben zu dürfen.
Peter
Wir werden Dich auf Schritt und Tritt verfolgen lieber Andreas.
Alles erdenklich Gute für Deine Zukunft und danke dass Du uns daran teilhaben lässt.
Soula und Peter
Micha
Ich finde es sehr mutig von Dir, diesen Schritt zu gehen und wünsche Dir sehr viel Kraft und positive Gedanken auf Deinem Weg. Du kannst sehr stolz auf dich sein. Lass dich nicht irritieren auf deinem Weg – Du hast mit sehr viel Liebe und dem Blick fürs Detail Dein Geschäft erschaffen. Genau diesen Blick wünsche ich Dir auf dem Camino ohne dabei das große Ganze aus den Augen zu verlieren. Ein schmaler Grat, aber mit jedem Schritt wird dieser Grat zu einer stabilen Straße in deren Mitte Du läufst. Stabil. Authentisch. Voller Lebensmut. 🙂
Manuel
Du bist durch das Tal der Trauer gegangen und sich auf Trauer einzulassen eröffnet Horizonte. Du hat das Horizont der Herzensmutes, der Eigenständigkeit, der Gelegenheit. Du hast Dich wohl entschieden Kairos – den Gott des richtigen Augenblickes aus der grieschischen Mythologie – zuzulassen.
Ich bin gespannt, wie er sich Dir zeigen wird. Ganz sicher: das wird er! Und wir dürfen es miterleben.
Danke für diesen Blog!
Elke
Noch ganz „am Anfang“ und doch schon jetzt ein außergewöhnlicher u. inspirierender Blog !
Freue mich auf mehr …